Beruflicher Wiedereinstieg für Mütter: Ja, aber wie?

Zurück in die Berufswelt


Die Betreuungssituation für die Kinder ist geklärt. Dem Wiedereinstieg steht nichts mehr im Weg. So ganz problemlos finden Wiedereinsteigerinnen nicht in die Berufswelt zurück. Eine Standortbestimmung.

Von Brigitte Leuenberger, brigitte.leuenberger@bluewin.ch,23.3.02


 
Dürfen, müssen, sollen Frauen arbeiten oder nicht, dürfen, sollen, müssen Frauen zu Hause bleiben oder nicht, was schadet dem Kind, was nützt der Mutter? Statements wurden schon von zahlreicher Seite und nicht zu knapp abgegeben. Für jedes Argument gibt es ein Gegenargument, wir werden das Thema nicht abschliessend klären, solange wir nicht mit Sicherheit wissen, was unseren Kindern schadet.
Gehen wir davon aus, dass Mutter sich entschieden hat, Wiedereinsteigerin zu werden. Gehen wir davon aus, dass Vater damit einverstanden ist, womöglich sogar noch Aufgaben im Haushalt übernehmen möchte. Gehen wir davon aus, dass die Betreuungssituation geklärt ist und wider Erwarten ein Krippenplatz oder eine Ganztagesschule gefunden wurde. Dann, denkt man, sollte doch alles ganz einfach sein. Frau sucht sich einen Job und los geht's. Doch hier fangen die eigentlichen Probleme erst so richtig an:
* Was hat Frau für eine Ausbildung?
* Hat Frau überhaupt eine Ausbildung?
* Wie lange liegt diese Ausbildung zurück?
* Wie hat sich dieser Bereich in den letzten Jahren verändert?
* Möchte Frau in dieser Sparte noch arbeiten oder sind andere Interessen da?
* Ist Frau bereit, noch eine Zusatzausbildung zu machen?
 
Hindernisse für den Wiedereinstieg
Auch heute noch verfügen zahlreiche Frauen über gar keine Ausbildung. Nach dem Schulabschluss haben sie geheiratet und in den meisten Fällen mehrere Kinder aufgezogen, die jetzt aus dem Hause sind. Bis zum Pensionsalter dieser Frauen muss nun ein kompletter Lebensabschnitt noch sinnvoll gestaltet werden.
Eine grosse Gruppe an Wiedereinsteigerinnen sind diejenigen, denen man nach der Schule geraten hat, etwas «Zweckmässiges» zu machen wie z.B. ein Handelsdiplom oder ein KV. Aus Sicherheitsgründen sozusagen. Möglich, dass aufgrund der Lebenserfahrung sich Frau mit ihrem einst erwählten Berufsziel nicht mehr identifizieren kann. Viele Frauen haben sich mit Engagement in sozialen Berufen eingesetzt (Kindergärtnerinnen, Krankenschwestern, Erzieherinnen). Nach langwierigen Erziehungsjahren, die mit zahlreichen sozialen unentgeltlichen Aufgaben angefüllt sind, ist es ihnen oft verleidet, die einst freudig durchgeführte Tätigkeit bis zum 60. Lebensjahr wiederaufzunehmen. Dass sich in unserer schnell sich entwickelnden Zeit Berufe rasant verändern, braucht fast nicht erwähnt zu werden. Wer heutzutage im technischen oder im wissenschaftlichen Bereich oder mit Computern arbeitet oder dessen Beruf in den letzten Jahren vom «Handwerk» auf Computer umgestellt wurde (Grafikerinnen, Architektinnen), kann nach nur zweijähriger Pause den Anschluss fast nicht mehr finden. Ausser er hat sich kontinuierlich weitergebildet. Nach fünfjähriger Pause ist ein Wiedereinstieg in solchen Berufen fast unmöglich, wenn nicht eine spezielle Zusatzausbildung als Wiedereingliederung erfolgt.
 
Bedürfnisse formulieren
Bei der Karriereplanung stellt man überdurchschnittlich häufig fest, dass viele Berufstätige, auch wenn sie kontinuierlich im Beruf tätig waren, kein Ziel formulieren können. Ebensowenige haben sich bewusst Gedanken darüber gemacht, was eigentlich ihren Fähigkeiten entspricht und daher kennen sie weder das Spektrum dessen, wozu sie befähigt sind, noch was ihren Bedürfnissen entspricht. Umso schwieriger ist es nach langjähriger Pause, seine Bedürfnisse formulieren zu können, zumal diese Reflexion eine gewisse Musse erfordert, um den Gedanken freien Lauf zu lassen.
Durch das Leben im häuslichen Bereich nimmt das Selbstbewusstsein rapide ab. Selbst Frauen mit grosser Berufserfahrung stellen nach einer Pause von nur einem Jahr fest, dass sie sich das, was sie viele Jahre getan haben, nicht mehr zutrauen. Es besteht eine grosse Distanz gegenüber der eigenen Arbeit. Dass diese Angst unbegründet ist, zeigt sich meistens in den ersten Arbeitstagen. Wenn nun in der Umgebung (Familie, Freunde) die sogenannten und ach so beliebten Zweifler hinzukommen, bleibt der Wiedereinstieg endgültig aus und weicht einer allgemeinen Mutlosigkeit. Andernfalls findet sich Frau wie so oft in einer subalternen Stelle wieder, die zwar nicht ihren Fähigkeiten entspricht, auch nicht dem entspricht, was sie interessiert, aber in der sie sich wenigstens sicher fühlt und nichts falsch machen kann. Oder wie kommt es, dass wir plötzlich Akademikerinnen als Verkäuferinnen oder als Empfangsdamen antreffen? Schade - vom volkswirtschaftlichen Verlust gar nicht zu sprechen. Je differenzierter und kritischer eine Frau ist, desto schlimmer wird diese Problematik, denn desto mehr reflektiert sie ihr eigenes Tun und kennt die beruflichen Lücken und fachlichen Schwächen, die sie hat.
 
Zufriedenheit bei Arbeitgebern
Dabei hat eine Nachfrage bei Arbeitgebern gezeigt, dass sie mit wiedereingestiegenen Frauen überdurchschnittlich zufrieden sind. Diese sind erstens hoch motiviert und zweitens haben sie sich im Laufe der Jahre durch ihre Managementaufgaben im Haushalt gewaltige organisatorische Fähigkeiten angeeignet. Drittens haben sie gelernt, mehrere Tätigkeiten gleichzeitig mühelos auszuführen.
 
Marschrichtung festlegen
Schwieriger wird die Situation, wenn Frau vor ihrer Mutterschaft keine Ausbildung machen konnte. Oder eine Ausbildung absolviert, jedoch nie in diesem Beruf gearbeitet hat. Man stelle sich den Mut vor, den eine Frau von meist über 45 Jahren braucht, um sich zum ersten Male der Arbeitssituation zu stellen. Sie hat vorher nie die Erfahrung gemacht, dass gute Arbeit zum Erfolg führt und dass Erfolg und Misserfolg bei der Arbeit immer gepaart sind. Wer spricht ihr eigentlich Mut zu, dass sie es schaffen wird, gleichzeitig die Familie zu meistern und die Schwierigkeiten zu bewältigen, die ein ganz normaler Berufsanfänger hat? Was gilt es zu tun?
* Die Ausgangssituation seitens familiärer Bedingungen und Ausbildung muss analysiert werden.
* Interessen, persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten müssen herausgefunden und gewichtet werden.
* Unter Beachtung aller Faktoren muss ein Ziel festgesetzt werden.
* Die ersten Schritte zur Erreichung des Zieles müssen unter Einhaltung eines Zeitrahmens formuliert werden.
* Der Mutigen, die sich dieser Situation stellt, muss Mut zugesprochen werden. Wenn die nötige Unterstützung aus der Umgebung fehlt, muss sie professionell eingeholt werden.
 
In einer ersten Phase gilt es zunächst sich Raum zu schaffen, da zwischen Bauklötzen und Kochtöpfen kreative Gedankengänge nicht entstehen können. Wie dieser erste geschaffene Freiraum genutzt wird, ist zunächst zweitrangig. Hauptsache ist, dass die Gedanken wieder zum Fliessen kommen. Diese Phase kann durchaus unter dem Motto stehen: Dinge tun, die Freude bringen und die man schon immer tun wollte. In einem weiteren Schritt kann durch spezielle Beratung weitergeholfen werden. Wichtig ist, dass der Berater neutral und nicht in die Situation verstrickt ist. Es geht darum, für jede Frau in Einzelgesprächen oder auch in Gesprächen mit dem Ehepartner deren Bedürfnisse ausfindig zu machen und deren Möglichkeiten zu analysieren. Oft kann bereits in einem ersten Gespräch eine Marschrichtung festgelegt werden. Die Aufgabe der Beraterin ist es, die Frau und deren Familie so lange zu begleiten, bis ein Weg erkennbar und zur Umsetzung dessen der erste Schritt festgelegt ist. Den Zeitpunkt, das Coaching zu beenden, legt die Beratene selbst fest.
 
Bestätigung und Anerkennung
Eine Beratung in Anspruch zu nehmen kostet Überwindung. Da sich Frauen oft in einer finanziellen Abhängigkeit befinden, werden sie sich schwer tun, den Mann um finanzielle Unterstützung zu bitten. Es sei also an dieser Stelle an die Ehemänner appelliert, ihre Frau einerseits inhaltlich zu unterstützen und ihr andererseits professionelle Beratung zu finanzieren. Viele Männer werden von sich aus am bestehenden System nicht rütteln, denn es gehört für die ganze Familie die Bereitschaft dazu, die bekannten Modelle gegen neue, ungewisse Modelle auszutauschen. Dies ist zusätzlich zu den anfangs entstehenden Zusatzkosten nicht nur unbequem, sondern schafft auch Ängste. Wenn der gewünschte Wiedereinstieg gelingt, der Anschluss an die Welt draussen gefunden wurde, wird die betroffene Frau Bestätigung und Anerkennung ausserhalb der Familie finden. Die so erlangte Zufriedenheit wird sich auf die gesamte Familie inklusive den Ehemann auswirken.
 

 

http://www.wefa.ch/
Wefa-Wiedereinstieg für Frauen in die Arbeitswelt. Programm der jungen Wirtschaftskammer mit Kursen für Frauen aus verschiedenen Branchen.

http://www.erwachsenenbildung.ch/
Schweizerische Vereinigung für Erwachsenenbildung. Vielfältiges Angebot an Seminaren, Kursen und Weiterbildungen in den verschiedensten Berufszweigen.

http://www.berufsberatung.ch/
Zentralstelle für Berufsberatung. Schweizerisches Verzeichnis mit den kantonalen Berufsberatungsstellen.